Was ist bei Wahlwerbung in Rundfunk und Fernsehen zu beachten (§ 54 HMedienG)?
Wenn eine politische Partei während des Wahlkampfes Werbesendungen in Hörfunk und Fernsehen ausstrahlen lassen möchte, sollte sie hierbei folgendes beachten:
Bei öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, also z.B. ARD und ZDF, ist dies kostenlos möglich, bei den Privatsendern erfolgt dies nur gegen Bezahlung.
Die Sender sind im Normalfall hierzu teilweise aufgrund der Gesetze verpflichtet, teilweise steht ihnen aber auch ein Ermessen zu. Ein Anspruch auf Ausstrahlung einer Wahlsendung ergibt sich beispielsweise aus
- § 15 des Staatsvertrages über den NDR für diesen Sender,
- § 54 des Hamburger Mediengesetzes für einen Privatsender in Hamburg.
Die Rechtsprechung hat beispielsweise entschieden, daß die Sendeanstalten die Ausstrahlung von Wahlwerbung verweigern dürfen mit der Begründung, daß
- bei einem Wahlkampf grundsätzlich keiner Partei die Möglichkeit zur Wahlwerbung gegeben wird (OVG Bremen, Beschluß vom 10.04.1995, Az. 1 B 30/95, zu finden in NJW 1996, 140 f.),
- die Sendezeit für wahlfremde Zwecke ausgenützt werde, also für Aussagen, die in keinem Zusammenhang mit der bevorstehenden Wahl stehen (BVerfG, Beschluß vom 14.02.1978, Az. 2 BvR 523/75, 958, 977/76, zu finden in BVerfGE 47, 198 ff. = NJW 1978, 1043 ff.),
- die Wahlwerbung „evident“, d.h. offensichtlich und schwerwiegend gegen Strafbestimmungen, z.B. Verunglimpfung des Staates gemäß § 90a StGB oder Beleidigung gemäß § 185 StGB, verstoße (BVerfG s.o.).
- eine private Zeitung oder private Fernseh- und Rundfunkanstalt nicht verpflichtet ist, die Anzeige bzw. die Wahlwerbesendung von politischen Parteien im Wahlkampf zu veröffentlichen (BVerfG, Beschluß vom 24.03.1976, Az. 2 BvR 1/75, zu finden in NJW 1976, 1627 und OLG Karlsruhe, Beschluß vom 31.03.1976, Az. 2 W 9/76, zu finden in NJW 1976, 1209 ff. und OLG Köln, Urteil vom 27.08.1993, Az. 2 U 122/93, zu finden in NJW 1994, 56).
Die Rechtsprechung hat dagegen entschieden, daß die Sendeanstalten Wahlwerbung nicht verweigern dürfen mit der Begründung, daß
- die Partei noch nicht im Deutschen Bundestag vertreten bzw. eine kleine politische Partei sei (BVerfG, Beschluß vom 03.09.1957, Az. 2 BvR 7/57, zu finden in BVerfGE 7, 99 ff. = NJW 1957, 1513),
- die Partei verfassungswidrig sei (BVerfG, Beschluß vom 14.02.1978, Az. 2 BvR 523/75, 958, 977/76, zu finden in BVerfGE 47, 198 ff. = NJW 1978, 1043 ff.),
- es sich nicht um eine politische Partei, sondern um eine freie Wählergemeinschaft handele (BVerwG, Urteil vom 26.06.1970, Az. VII C 41/68, zu finden in NJW 1971, 71 ff.),
- die politische Partei für eine Bundestagswahl nur in einem einzigen Bundesland und nicht im gesamten Bundesgebiet eine Liste aufgestellt habe (BVerwG, Urteil vom 17.10.1986, Az. 7 C 79.85, zu finden in BVerwGE 75, 67 ff. = DÖV 1987, 205 ff.),
- alle „großen“ Parteien auf Wahlwerbesendungen verzichtet hätten (BVerwG, Urteil vom 11.01.1991, Az. 7 C 13/90, zu finden in NJW 1991, 938 f.) – 80H91 -,
- die Wahlsendung gegen Strafbestimmungen nur in geringfügiger Weise verstoße (BVerfG, Beschluß vom 14.02.1978, Az. 2 BvR 523/75, 958, 977/76, zu finden in BVerfGE 47, 198 ff. = NJW 1978, 1043 ff.),
- die Wahlwerbung einen ausländerfeindlichen Inhalt habe (OLG Celle, Urteil vom 09.03.1994, Az. 13 U 31/94, zu finden in NJW 1994, 2237 und VGH Kassel, Beschluß vom 04.01.2008, Az. 8 B 17/08, zu finden in NJW-RR 2008, 363 und LG Mainz, Urteil vom 13.07.1989, Az. 1 O 211/89, zu finden in NJW 1990, 2557 ff. und VG Berlin, Beschluß vom 18.01.1989, Az. 1 A 13/89, zu finden in NJW 1990, 402 f. und VG Potsdam, Beschluß vom 31.05.1999, Az. 5 L 477/99).
Die gewährte Sendezeit muß angemessen sein, das heißt, daß gegenüber den anderen politischen Parteien der Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art 3 I GG und § 5 PartG berücksichtigt werden muß. Dieser Grundsatz wird aber nur in abgestufter Form verwirklicht. Das bedeutet, daß die politischen Parteien nicht die gleiche Anzahl von Sendezeiten zugeteilt bekommen, sondern unter Berücksichtigung der folgenden Gesichtspunkte:
- vorhergehendes Wahlergebnis der Partei,
- Zeitdauer ihres Bestehens,
- Kontinuität,
- Mitgliederzahl,
- Umfang und Ausbau ihres Organisationsnetzes,
- Vertretung im Parlament,
- Beteiligung an der Regierung in Bund und Ländern.
Die Rechtsprechung hat daher entschieden, daß die folgenden Sendezeiten zu gewähren sind
- zwei Sendezeiten mit einer Länge von je 2 1/2 Minuten für politische Parteien, die keine Aussicht haben, die 5 %-Hürde zu überspringen (BVerfG, Beschluß vom 09.05.1978, Az. 2 BvR 2/77, zu finden in BVerfGE 48, 271 ff. und OLG Köln, Urteil vom 27.08.1993, Az. 2 U 122/93, zu finden in NJW 1994, 56 ff.),
- drei Sendezeiten mit einer Länge von je 2 1/2 Minuten für politische Parteien, die die Aussicht haben, die 5 %-Hürde zu überspringen (BVerfG, Beschluß vom 24.02.1983, Az. 2 BvR 323/83, zu finden in BVerfGE 63, 251 ff. und OVG Hamburg, Beschluß vom 19.08.1993, Az. Bs III 323/93, zu finden in NJW 1994, 72),
- dabei muß eine der Wahlsendungen im ersten Fernsehprogramm ausgestrahlt werden (OVG Hamburg, Beschluß vom 07.05.1991, Az. Bs III 153/91).
Umstritten ist es, ob auch kleine Parteien bei einem „Wahl-Hearing“, also einer Befragung der Kandidaten im Fernsehen durch Journalisten, anwesend sein müssen.