Was ist bei der Vergabe von öffentlichen Einrichtungen zu beachten?

Wer für eine Versammlung einen geschlossenen Raum anmieten will, sollte hierbei folgendes beachten:

Bei privaten Räumen gilt folgendes: Hierbei handelt es sich um solche, die einer privaten Person gehören und von ihr zu privaten Zwecken errichtet wurden. Hierzu gehören insbesondere Gaststätten. Der Eigentümer eines privaten Raumes ist in seiner Entscheidung völlig frei, ob er seinen Raum für eine Versammlung vermieten will oder nicht. Er kann zur Vermietung nicht durch eine Klage gezwungen werden. Hat er sich aber erst einmal zur Vermietung bereiterklärt, ist er durch den abgeschlossenen Mietvertrag gebunden. Er kann diesen nicht einfach einseitig auflösen. Er kann dies vielmehr nur dann tun, wenn ein Kündigungsgrund vorliegt, also z.B. der Mietzins nicht bezahlt wird. Sie können daher durch den Antrag einer einstweiligen Verfügung vor dem Zivilgericht gemäß §§ 938 ff. ZPO den Vermieter zur Einhaltung des Vertrages zwingen und Schadensersatz verlangen.

Bei öffentlichen Einrichtungen gilt folgendes: Hierbei handelt es sich um solche, die vom Staat, insbesondere von den Gemeinden, zu öffentlichen Zwecken errichtet worden sind. Hierzu gehören beispielsweise

  • Stadthallen,
  • Bürgerhäuser,
  • Kongreßzentren,
  • Mehrzweckhallen,
  • Sporthallen,
  • Turnhallen,
  • Schulen,
  • Kindergärten.

Die Gemeinden und die Betreiber der öffentlichen Einrichtungen sind in ihrer Entscheidung nicht frei, ob sie die Räume vermieten wollen oder nicht, ihnen steht auch nicht einmal eine Ermessensentscheidung zu. Sie sind vielmehr im Normalfall verpflichtet, die öffentlichen Einrichtungen an die Einwohner der Gemeinde zu vermieten. Dem Mieter bzw. Benutzer steht gegen die Gemeinde bzw. die Betreiber der öffentlichen Einrichtung ein Anspruch auf Überlassung zu.

Der Anspruch kann sich ergeben aus

  • dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 I GG,
  • bei politischen Parteien aus dem sogenannten Parteienprivileg des Art. 21 I 1 GG und aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des § 5 PartG,
  • bei Einwohnern der Gemeinde aus den entsprechenden Bestimmungen der Gemeindeordnungen der einzelnen Bundesländer, z.B. aus § 22 NDO.

Die Rechtsprechung hat beispielsweise entschieden, daß die Gemeinde die Vergabe einer öffentlichen Einrichtung ablehnen darf, wenn

  • die öffentliche Einrichtung bereits vergeben ist bzw. das Personal Urlaub hat (VGH München, Beschluß vom 21.01.1988, Az 4 CE  87.03883, zu finden in NJW 1989,  2491 f.),
  • bei der Versammlung Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen werden sollen, wenn z.B. zum Boykott der Volkszählung aufgerufen werden soll (VGH Mannheim, Beschluß vom 20.05.1987, Az. 1 S  1278/87, zu finden in NJW 1987,  2698 f.),
  • bei der Versammlung strafbare volksverhetzende bzw. ausländerfeindliche Äußerungen fallen werden (VGH Kassel, Beschluß vom 24.02.1993, Az. 6 TG 414/93, zu finden in NJW 1993, 2332  = NVwZ 1993, 1018),
  • die Versammlung nicht dem Widmungszweck der Einrichtung entspricht, - zum Beispiel die Stadthalle nur für Sportveranstaltungen und kulturelle Veranstaltungen gewidmet ist, die geplante Versammlung aber eine politische Versammlung sein sollte (VGH Kassel, Beschluß vom 08.08.1995, Az. 6 TG 2460/95, und OVG Bautzen, Beschluß vom 12.04.2001, Az. 3 BS 10/01, zu finden in NVwZ 2002, 615),
  • wenn die geplante politische Versammlung eine vorher festgelegte und parallel dazu stattfindende Musikveranstaltung akustisch stören würde (VGH München, Beschluß vom 13.06.2008, Az. 4 CE 08.726),
  • wenn die Gemeinde die öffentliche Einrichtung für eine nicht vergleichbare Veranstaltung zur Verfügung gestellt hatte, - im entschiedenen Falle ging es einerseits um einen parteiinternen Parteitag einer politischen Partei, andererseits aber um eine allgemeine politische Veranstaltung mit Gästen  (BVerfG, Beschluß vom 07.03.2007, Az. 2 BvR 447/07),

Die Rechtsprechung hat dagegen entschieden, daß die Gemeinde die Vergabe einer öffentlichen Einrichtung nicht ablehnen darf mit der Begründung, daß

  • die Benutzerin eine verfassungswidrige Partei sei (BVerwG, Urteil vom 28.03.1969, Az. VII C 49.67, zu   finden in BVerwGE 31, 368 ff.),
  • die Benutzerin eine unliebsame und kleine Partei sei (BVerwG, Urteil vom 27.08.1991, Az. 7 B 19/91, zu finden in NVwZ 1992, 264 f. und VGH Mannheim, Urteil vom 10.11.1967, Az. II 756/67, zu finden in DÖV 1968, 179 f.),
  • die Benutzerin eine rechtsextremistische Partei sei und dadurch eine Ansehensschädigung der Gemeinde eintrete (BGH, Urteil vom 10.12.1986, Az. VIII ZR 349/85, zu DB 1987, 1418 ff., und BVerwG, Beschluß vom 21.07.1989, Az. 7 B 184/88, zu finden in NJW 1990, 134 ff. und VGH Mannheim, Beschluß vom 05.10.1993, Az. 1 S  2333/93, zu finden in NVwZ-RR 1994, 111 f. und VGH  Mannheim, Beschluß vom 11.05.1995, Az. 1 S 1283/95, zu finden in DVBl. 1995, 927 ff.),
  • bei der Veranstaltung rechtsgerichtete Musikstücke gespielt und die „Multikulti-Gesellschaft“ und die „um sich greifende Kriminalität“ abgelehnt werden (VG Bremen, Beschluß vom 29.03.2007, Az. 2 V 579/07),
  • die Veranstaltung dem Widmungszweck der öffentlichen Einrichtung entspricht und der Veranstalter seinen Sitz in der Gemeinde hat, auch wenn die Gäste Ortsfremde sind (OVG Münster, Urteil vom 16.09.1975, Az. III A 1279/75),
  • wenn die Gemeinde die öffentliche Einrichtung zuvor für eine vergleichbare Veranstaltung zur Verfügung gestellt hatte, - im entschiedenen Falle ging es um zwei politische Veranstaltungen zweier politischen Parteien (BVerwG, Urteil vom 28.03.1969, Az. VII C 49.6),
  • wenn in der Stadthalle vorher nur Landesparteitage durchgeführt wurden und jetzt ein Bundesparteitag geplant ist (VGH München, Beschluß vom 18.04.2008, Az. 4 CE 08.725),
  • die Hallenbetreiberin eine andere Veranstaltung nicht ernsthaft durchführen wollte und nur als Vorwand benutzte, um eine Benutzung der Halle durch eine rechtsextreme Partei zu vereiteln (ThürOVG, Beschluß vom 26.10.2004, Az. 2 EO 1377/04 und VG Augsburg, Beschluß vom 01.04.2004, Az. Au 8 E 04.614),
  • bei der Überlassung der öffentlichen Einrichtung Gegendemonstranten die Räume beschädigen könnten, - die Gemeinde ist dann berechtigt, von dem Veranstalter eine Kaution von 10.000,- DM zu verlangen (BVerwG, Urteil vom 18.07.1969, Az. VII C 56.68, zu finden in BVerwGE 32, 333 ff. und OVG Lüneburg, Beschluß vom 07.06.1985, Az. 2 B 36/85, zu finden in NJW 1985, 2347 ff. und VGH Kassel, Beschluß vom 12.12.1985, Az. 2 TG 2397/85, zu finden in NJW 1986, 2660 f. und VGH Mannheim, Beschluß vom 09.04.1987, Az. 1 S 851/87, zu finden in NJW 1987, 2697 und VGH München, Beschluß vom 21.01.1988, Az. 4 CE 87.03883, zu finden in NJW 1969, 2491, und VGH Mannheim, Beschluß vom 18.02.94,Az. 1 S 436/94, zu finden in NVwZ 1994,587 = DVBl. 1994, 587 und OVG Magdeburg, Beschluß vom 05.04.2007, Az. 4 M 102/90).

Steht die öffentliche Einrichtung im Eigentum der Gemeinde, muß man die Gemeinde verklagen, die öffentliche Einrichtung zu den üblichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Steht die öffentliche Einrichtung dagegen im Eigentum einer privaten Firma, z.B. einer GmbH, auf die die Gemeinde eine rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit hat, muß man die Gemeinde verklagen, auf die GmbH einzuwirken, daß diese die öffentliche Einrichtung zu den üblichen Bedingungen zur Verfügung stellt.

 

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