Was ist bei Flugblattverteilungen und Propagandafahrten zu beachten (§ 33 StVO)?

Wer in der Öffentlichkeit Flugblätter, Broschüren, Zeitschriften und andere Druckwerke verteilen will, sollte hierbei folgendes beachten:

Öffentliche Wege dienen an sich nur dem allgemeinen öffentlichen Verkehr, also allen Handlungen von Fußgängern und Fahrzeugen, die deren Fortbewegung oder der Vorbereitung hierzu dienen. Diese Vorgänge fallen unter den Begriff des „Gemeingebrauchs“. Alle übrigen Handlungen, die dem Verkehr nicht dienen oder ihn sogar behindern, stellen sogenannte „Sondernutzungen“ dar. Diese dürfen gemäß § 33 StVO oder gemäß den in den einzelnen Bundesländern geltenden Vorschriften, z.B. § 19 HWegeG, nur mit vorheriger Erlaubnis der Wegeaufsichtsbehörde bzw. des Straßenverkehrsamtes vorgenommen werden. In der Vergangenheit war daher das Verteilen von politischen Flugblättern teilweise nur mit einer derartigen Erlaubnis möglich. Das Bundesverfassungsgericht hat diese strenge Handhabung im Normalfall wegen der vorrangigen Geltung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 I GG für unwirksam erklärt.

Die Rechtsprechung hat als verboten angesehen, – unterlassen Sie daher derartige Handlungen:

  • das Verteilen von Flugblättern auf einem Markt, wenn die Gemeinde dies in ihrer Marktordnung verbot, (BVerfG, Beschluß vom 05.04.1979, Az. 1 BvR 1021/76, zu finden in NJW 1980, 581),
  • das Verteilen von Flugblättern zum Thema „Anti-Holocaust-Aktion“, wenn dabei die Gefahr von gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten bestand (BayVGH, Beschluß vom 16.02.1979, Az. 2 Cs 291/79, zu finden in DÖV 1979, 569 ff.),
  • der Einwurf von politischem Werbematerial in Briefkästen mit der Aufschrift „Keine Werbung einwerfen“ (BVerfG, Beschluß vom 01.08.2002, Az. 2 BvR 2135/01, zu finden in NJW 2002, 2938).

Die Rechtsprechung hat weiter nur mit vorheriger Erlaubnis der Behörde bzw. des Eigentümers als erlaubt angesehen

  • das Verteilen von Handzetteln mit gewerblichem Inhalt, z.B. für ein Nachtlokal oder eine Ausbildungsstätte (BVerwG, Urteil vom 26.06.1970, Az. VII C 77/68, zu finden in BVerwGE 35, 326 ff. und OLG Hamburg, Beschluß vom 04.03.1986, Az. 2 Ss 134/85, zu finden in NJW 1989, 2841),
  • das Verteilen politischer Schriften auf der mehrspurigen Fahrbahn einer Straße vor einer Ampel, auch wenn sie auf „Rot“ geschaltet war (BayObLG, Beschluß vom 19.03.2002, Az. 3 ObOWi 86/2001, zu finden in NStZ 2003, 45),
  • das Verteilen von Flugblättern – auch mit politischem Inhalt auf privaten Flächen oder auf solchen öffentlichen Flächen, die nur einem bestimmten Sonderzweck dienen; hierzu gehören beispielsweise
    • private Grundstücke,
    • Parkplatzflächen,
    • Einkaufszentren,
    • Ladenpassagen,
    • Bundesbahnhöfe,
    • U-Bahnhöfe,
    • überdachte Bushaltestellen,
    • Friedhöfe.

Die Rechtsprechung hat dagegen ohne Einwilligung der Behörde und ohne Reisegewerbekarte als erlaubt angesehen

– das Verteilen von politischen Flugblättern in der Öffentlichkeit, z.B. auf Gehwegen (BVerfG, Beschluß vom 18.10.1991, Az. 1 BvR 1377/91, zu finden in NVwZ 1992, 53 und BayVGH, Urteil vom 05.08.1977, Az. Vf 10-VII/74, zu finden in NJW 1978, 1912 f. und BVerwG, Urteil vom 07.06.1978, Az. 7 C 45.74, zu finden in BVerwGE 56, 24 ff. u.a.),

- das Verkaufen von Büchern, Zeitschriften und anderen Druckwerken auf öffentlichen Straßen für einen Verlag, wenn der Verteiler selbst kein Gewerbe betreibt und keinen Gewinn erzielen will (BGH, Beschluß vom 29.01.1980, Az. 1 StR 348/79, zu finden in NJW 1980, 1585 und OVG Hamburg, Urteil vom 14.12.1995, Az. Bf II 1/93, zu finden in NJW 1996, 2051 f.),

- das kostenlose Verteilen einer „Schulhof-CD“  der NPD mit politischer Werbung auf dem öffentlichen Gehweg unmittelbar vor einer Schule (VG Ansbach, Urteil vom 12.07.2007, Az. AN 5 K 06.0400).

Es sei noch darauf hingewiesen, daß in zahlreichen Rechtsvorschriften, z.B. in § 49 I Nr. 27 iVm § 32 StVO die übermäßige Verunreinigung von Straßen als Ordnungswidrigkeit angesehen und mit Geldbußen geahndet wird. Es ist daher zu empfehlen, nach Beendigung der Flugblattverteilung große Mengen weggeworfener Flugblätter wegzuräumen.

Wer auf seinem Personenkraftwagen Plakate befestigen und auf diese Weise eine Propagandafahrt machen will, sollte dabei folgendes beachten:

Entgegen des Wortlautes des § 33 I StVO, der Werbefahrten grundsätzlich verbietet, hat die Rechtsprechung entschieden, daß eine Sondernutzung nur vorliegt und die vorherige Einwilligung der Straßenbaubehörde gemäß § 8 FStrG oder z.B. § 19 HWegeG nur nötig ist

  • für Propagandafahrten zu gewerblichen Zwecken (BVerwG, Urteil vom 22.01.1971, Az. VII C 61/70, zu finden in MDR 1971, 608 f. u.a.),
  • für Propagandafahrten mit politischen Zwecken mit einem Lautsprecher (VG Oldenburg, Beschluß vom 20.12.2007, Az. NVwZ-RR 2008, 465).

Die Rechtsprechung hat dagegen entschieden, daß ein Gemeingebrauch vorliegt und ohne vorherige Erlaubnis der Behörde zulässig ist

  • eine Propagandafahrt zu politischen Zwecken (BVerfG, Urteil vom 10.12.1975, Az. 1 BvR 118/71, zu finden in NJW 1976, 558 und OVG Hamburg, Urteil vom 16.06.1966, Az. Bf II 99/64, zu finden in MDR 1967, 74 f.).

 

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