Wann begeht man einen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ (§ 113 StGB)?

Wer bei der Auflösung von Versammlungen, bei Hausdurchsuchungen oder ähnlichen Zwangsmaßnahmen die Befehle der Polizisten oder ähnlicher Beamter nicht sofort befolgt, sondern sich ihnen vielleicht sogar widersetzt, gerät in Gefahr, wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 StGB bestraft zu werden. Diese Vorschrift ist verletzt, wenn alle im Folgenden genannten Tatbestandsmerkmale erfüllt werden.

Eine Widerstandshandlung leistet, wenn jemand entweder einen Vollstreckungsbeamten tätlich angreift oder ihm gegenüber mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt aktiv tätig wird und damit die Durchführung der Diensthandlung verhindert oder erschwert.

Die Rechtsprechung hat es z.B. als Widerstandshandlung angesehen, – unterlassen Sie dies daher -, wenn jemand

  • mit seinem Auto auf einen Polizisten zufährt, so daß dieser gezwungen ist, zur Seite zu springen, um den Weg freizugeben (BGH, Urteil vom 30.04.1974, Az. 4 StR 67/74, zu finden in BGHSt 25, 313 ff. und BGH, Urteil vom 24.07.1975, Az. 4 StR 165/75, zu finden in BGHSt 26, 176 ff. u.a.),
  • mit beiden Armen um sich schlägt oder kreisende Armbewegungen macht, um sich – wenn auch erfolglos – aus einem Polizeigriff zu befreien (OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.08.1974, Az. 3 Ss 35/74, zu finden in NJW 1974, 2142 ff.),
  • sich 30 Sekunden lang an einem Gitter festklammert, um sich gegen den Abtransport durch Polizisten zu sträuben (OLG Köln, Urteil vom 25.02.1986, Az. Ss 801/85),
  • sich 30 Sekunden lang mit allen Kräften gegen den Boden stemmt, so daß ein Polizist zusätzliche Körperkräfte aufwenden muß, um die dadurch verursachte Behinderung zu überwinden (OLG Köln aaO),
  • sich 30 Sekunden lang gegen einen Abtransport sträubt (OLG Köln aaO),
  • das Wagenfensters seines PKWs verriegelt, so daß Polizeibeamte das Fahrzeug nicht öffnen können (AG Berleburg, Urteil vom 15.08.1997, Az. 4 Ds 45 Js 44/97).

Die Rechtsprechung hat es dagegen nicht als Widerstandshandlung angesehen, – es ist also erlaubt –, wenn jemand

  • sich nur passiv verhält, z.B. eine Türe nicht öffnet oder bei seiner Festnahme einfach sitzenbleibt (BGHSt 18, 133).

§ 113 StGB schützt die Diensthandlungen von Vollstreckungsbeamten.

Eine solche Diensthandlung liegt vor, wenn eine dazu berufene Person tätig ist, die die Verwirklichung des Staatswillens in einem bestimmten Fall bezweckt und notfalls auch mit Zwangsmitteln durchsetzt.

Die Rechtsprechung hat z.B. als von § 113 StGB geschützte Diensthandlung angesehen – leisten Sie hiergegen keinen Widerstand:

  • eine Verkehrskontrolle,
  • die Feststellung der Personalien einer Person, die wegen einer Straftat verdächtig ist,
  • die Festnahme einer Person, die wegen einer Straftat verdächtig ist,
  • die Durchsuchung einer Person, die wegen einer Straftat verdächtig ist,
  • die Anfertigung eines Lichtbildes von einer Person, die wegen einer Straftat verdächtig ist,
  • eine Hausdurchsuchung,
  • die Erzwingung eines Vorführungsbefehles,
  • die Auflösung einer Versammlung.

Die Rechtsprechung hat es dagegen nicht als von § 113 StGB geschützte Diensthandlung angesehen, – Widerstand hiergegen fällt nicht unter die Vorschrift des § 113 StGB, – wenn die Polizei

  • Streife fährt (BGH, Urteil vom 30.04.1974, Az. 4 StR 67/74, zu finden in BGHSt 25, 313 ff.),
  • sich erst auf dem Weg zu ihrem Einsatzort gegen Störer, aber noch nicht am Ort des Geschehens, befindet (AG Berlin-Tiergarten, Urteil vom 03.07.1987, Az. (269) 2 P 243/87 Ls, zu finden in NJW 1988, 3218 f.),
  • Personen nur beobachtet, von denen möglicherweise Ausschreitungen zu erwarten sind, um gegebenenfalls gegen sie schnell einschreiten zu können, wenn diese Personen aber noch keine Straftat verübt haben (KG, Urteil vom 24.11.1988, Az. (4) 1 Ss 132/88 (83/88), zu finden in NStZ 1989, 121),
  • nur ermittelt, ob eine Straftat verübt wurde, indem die Polizei z.B. Verdächtige oder Straßenpassanten bloß befragt (BGH, Urteil vom 30.04.1974, Az. 4 StR 67/74, zu finden in BGHSt 25, 313 ff.),
  • einen Beschuldigten nur vernimmt (BGH, Urteil vom 30.04.1974, Az. 4 StR 67/74, zu finden in BGHSt 25, 313 ff.).

§ 113 StGB schützt im Übrigen gemäß § 113 III StGB nur die rechtmäßige Diensthandlung. Die Rechtmäßigkeit ergibt sich aus dem großzügigen und für die Polizei daher günstigen „strafrechtlichen“ Rechtmäßigkeitsbegriff und nicht aus dem – strengen und daher für die Polizei oft ungünstigen – Verwaltungsrecht.

Eine Diensthandlung ist danach rechtmäßig iSd § 113 StGB, wenn

  • die Beamten sachlich und örtlich hierfür zuständig sind,
  • sie die gesetzlichen Förmlichkeiten der Diensthandlung beachten und
  • entweder gemäß dem nicht willkürlichen Befehl eines Vorgesetzten handeln
  • oder eigenes Ermessen ordnungsgemäß, d.h. nicht willkürlich und nicht unverhältnismäßig, ausüben.

Die Rechtsprechung hat z.B. als iSd § 113 StGB rechtmäßige Diensthandlung angesehen, – leisten Sie hiergegen also keinen Widerstand:

  • das vorbeugende Einschreiten eines Polizisten, um eine strafbare Handlung zu verhindern (BGH, Urteil vom 05.03.1953, Az. 3 StR 804/51, zu finden in BGHSt 4, 110 ff.),
  • das gewaltsame Entfernen eines Randalierers aus einer Gaststätte durch die Polizei aufgrund einer diesbezüglichen Bitte des Gastwirtes (LG Bonn, Urteil vom 26.01.1983, Az. 23 W 16/81, zu finden in NStZ 1984, 169),
  • die vorläufige Festnahme eines Flugblattverteilers auf einem Bahnhofsvorplatz durch Bahnpolizisten, um dort einen Menschenauflauf zu verhindern (BGH, Urteil vom 10.11.1967, Az. 4 StR 512/66, zu finden BGHSt 21, 334 ff., 361 ff. und OLG Köln, Urteil vom 09.09.1980, Az. 1 Ss 611/80, zu finden in NJW 1982, 296 f.),
  • die vorläufige Festnahme eines Verdächtigen, der sich nicht ausweisen konnte, auch wenn objektiv keine Straftat vorlag (OLG Hamburg, Urteil vom 07.04.1976, Az. 1 Ss 179/75, zu finden in NJW 1976, 2174),
  • die Feststellung der Personalien eines Verdächtigen, um eine Straftat zu verhindern, auch wenn diese objektiv nicht vorlag (OLG Bremen, Urteil vom 14.09.1976, Az. Ss 64/76, zu finden in NJW 1977, 158 ff. und OLG Celle, Urteil vom 25.09.1978, Az. 2 Ss 157/78, zu finden in NJW 1979, 57 f.),
  • eine Hausdurchsuchung entgegen § 105 II StPO, also ohne die Hinzuziehung von Durchsuchungszeugen, wenn die Polizisten auf diese Weise den Erfolg der Hausdurchsuchung nicht gefährden wollten und ihr Handeln nicht willkürlich war (BayObLG, Beschluß vom 23.11.1979, Az. Rreg 5 St 387/79 zu finden in JR 1981, 28 ff. = JZ 1980, 109 ff. und OLG Stuttgart, Urteil vom 27.08.1970, Az. 2 Ss 406/70, zu finden in NJW 1971, 629 f.),
  • die Ausführung eines nicht willkürlichen Befehles eines Dienstvorgesetzten durch Polizisten (BGH, Urteil vom 31.03.1952, Az. 1 StR 670/52, zu finden in BGHSt 4, und KG, Urteil vom 15.12.1971, Az. (1) Ss 180/71 (68/71), zu finden in NJW 1972, 781 f. und OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.08.1974, Az. 3 Ss 35/74, zu finden in NJW 1974, 2142 ff. und OLG Köln, Urteil vom 26.08.75, Az. 149/75, zu finden in MDR 1976, 67 f.).

Die Rechtsprechung hat es dagegen z.B. nicht als rechtmäßige Diensthandlung angesehen, – Widerstand hiergegen ist also erlaubt:

  • die Festnahme und Durchsuchung eines Verdächtigen durch Polizisten, ohne daß ihm gemäß § 163 IV 1 StPO eröffnet worden ist, welche Tat ihm zur Last gelegt wird (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 06.09.1990, Az. 2 Ss 249/90 – 100/90 II, zu finden in NJW 1991, 580),
  • das gewaltsame Öffnen der Wohnungstüre eines Beschuldigten durch Polizisten zur Erzwingung eines Vorführungsbefehles gemäß § 134 StPO, ohne daß die Polizisten dem Beschuldigten das Vorhandenseins des Vorführungsbefehles mitteilten (BGH, Urteil vom 16.07.1980, Az. 2 StR 127/80, zu finden in NStZ 1981, 22 f.),
  • eine Diensthandlung im Rahmen eines mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsverfahrens, – entschieden wurde über den Fall, daß ein Polizist eine mündliche Verwarnung verhängte, das Verwarnungsgeld sofort kassieren wollte und der Betroffene dagegen Widerstand leistete; der Polizist hätte hier von dem Mann ablassen und ein schriftliches Bußgeldverfahren einleiten müssen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.1984, Az. 2 Ss 639/83 – 384/83 II, zu finden in NJW 1984, 1571 f.),
  • die Anwendung unmittelbaren Zwanges ohne vorherige Androhung, – entschieden wurde über den Fall, daß die Polizei einen Demonstranten aus einer Menschenkette herauszerrte und ihn mehrere Meter über den Boden schleifte, ohne diese Maßnahme vorher anzukündigen (AG Schwandorf, Urteil vom 10.02.1987, Az. Cs 7 Js 8406/ 86, zu finden in NStZ 1987, 280),
  • der Einsatz von Reizgas gegen eine Personengruppe, die ihren Unmut gegenüber der Polizei nur in Worten äußert, aber keine Straftaten verübt (KG, Urteil vom 24.11.1988, Az. (4) 1 Ss 132/88 (83/88), zu finden in NStZ 1989, 121).

Der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist schließlich gemäß § 113 IV StGB ausnahmsweise nicht strafbar, wenn der Täter einen Irrtum über die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung unterlag. Ein Irrtum liegt vor, wenn die Diensthandlung zwar rechtmäßig war, der Täter aber fälschlicherweise glaubte, die Diensthandlung sei rechtswidrig gewesen. Hier kommt es u.a. auf die Vermeidbarkeit seines Irrtums an.

War der Irrtum des Täters vermeidbar, oder war sein Irrtum zwar unvermeidbar, aber hätte der Täter Rechtsbehelfe gegen die Diensthandlung einlegen können, so kann das Gericht die Strafe mildern oder sogar von einer Bestrafung absehen. War der Irrtum des Täters dagegen unvermeidbar und konnte dieser auch keine Rechtsbehelfe gegen die Diensthandlung einlegen, so darf das Gericht keine Strafe verhängen.

Die Rechtsprechung hat z.B. entschieden, daß nur ein vermeidbarer Irrtum vorliegt und die Strafe nur gemildert werden kann, wenn

  • ein Theologiestudent sich gegen die Auflösung einer Versammlung mit körperlichen Angriffen gegen Polizisten anstatt mit der Einlegung von Rechtsmitteln wehrt (OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.08.1974, Az. 3 Ss 35/74, zu finden in NJW 1974, 2142 ff.),
  • jemand Widerstand gegen Polizisten leistet und eine schwierige und verworrene Rechtslage vorliegt und unklar ist, ob die Diensthandlung der Polizisten rechtmäßig war oder nicht (OLG Celle, Urteil vom 25.09.1978, Az. 2 Ss 157/78, zu finden in NJW 1979, 57 f.).

 

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