Welche beleidigenden Werturteile (Schmähkritik) sind erlaubt – und welche nicht (§ 185 StGB)?

Wenn jemand über einen anderen ehrenrührige und unwahre Werturteile fällt, kann letzterer in den folgenden Rechten verletzt sein:

  • in seinem Recht auf Ehre gemäß § 185 StGB iVm § 823 II BGB,
  • in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß § 823 I BGB.

Werturteile sind - im  Gegensatz zu den objektiven Tatsachenbehauptungen - Äußerungen, die durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens und  des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung geprägt sind, Werturteile sind also Kundgebungen subjektiver Art.

Ein ehrenrühriges Werturteil und damit eine Beleidigung iSd § 185 StGB liegt vor, wenn der Gegner in mißachtender oder nichtachtender Weise angegriffen wird.

Grundsätzlich darf ein Werturteil geäußert werden, auch wenn es wertlos, falsch oder überzogen ist, weil es als Meinungsäußerung unter die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 I GG fällt. Ein ehrenrühriges Werturteil ist erst dann rechtswidrig und darf nicht mehr verbreitet werden, wenn es entweder unwahr ist und eine Schmähkritik darstellt, also „unterhalb der Gürtellinie“ liegt. Ob eine solche Schmähkritik vorliegt, muß für jeden Einzelfall gesondert geprüft werden. Dabei werden die Belange des Schmähenden und die Belange des Geschmähten gegeneinander abgewogen. Überwiegen die Belange des Schmähenden, darf er seine Äußerung verbreiten. Überwiegen dagegen die Belange des Geschmähten, muß die Äußerung unterbleiben.

Belange des Schmähenden sind z.B., diese sprechen für die Veröffentlichung der Äußerung:

  • die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 I GG,
  • die Äußerung betrifft eine Auseinandersetzung einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage,
  • die Auseinandersetzung in der Sache steht im Vordergrund,
  • die Äußerung ist eine Reaktion auf Angriffe z.B. der Presse, mit ihr nimmt der Betroffene das sog. „Recht auf einen Gegenschlag“ wahr,
  • die Äußerung hält die Erinnerung an die Untaten aus der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wach, trägt zur Distanzierung der Leser von den Tätern bei und wirkt nach Möglichkeit an der Aufklärung einzelner Straftaten mit.

Belange des Geschmähten sind dagegen z.B., - diese sprechen gegen eine Veröffentlichung einer Äußerung:

  • das Recht des Geschmähten auf seine Ehre,
  • das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Geschmähten,
  • die Äußerung betrifft eine Angelegenheit, die die Öffentlichkeit nicht wesentlich berührt und nur eine private Sache darstellt,
  • die Äußerung ist unsachlich,
  • bei der Äußerung steht die Diffamierung der Person im Vordergrund.

Die Rechtsprechung hat es u.a. als verbotene Schmähkritik angesehen, - unterlassen Sie daher derartige Äußerungen:

  • die Bezeichnung eines anderen als „Mörder und Krüppel“ (BVerfG, Beschluß vom 25.03.1992, Az. 1 BvR 514/90, zu finden in NJW 1992, 2073 ff. und BVerwG, Urteil vom 08.09.1981, Az. BVerwG 1 C 88.77, zu finden in BVerwGE 64, 55 ff. und BGH, Urteil vom 12.10.1965, Az. VI ZR 95/64, zu finden in NJW 1965, 2395 f.),
  • die Bezeichnung oder die Karikatur eines anderen als „Schwein“ (BVerfG, Beschluß vom 03.06.1987, Az. 1 BvR 313/85, zu finden in NJW 1987, 2661 f. und BVerfG, Beschluß vom 09.07.1997, Az. 1 BvR 730/97 und  OLG Koblenz, Urteil vom 10.07.1978, Az. 2 Ss 311/78, zu finden in NJW 1978, 1816 f.),
  • die Herabsetzung einer Fernsehansagerin als „ausgemolkene Ziege, bei deren Anblick den Zuschauern die Milch sauer werde“ (BGH, Urteil vom 05.03.1963, Az. VI ZR 55/62, zu finden in NJW 1963, 902 ff. = BGHZ 39, 124 ff.),
  • die Bezeichnung eines Autors als „talentfrei, verlogen, korrupt, pathologischen Knallkopfs, der häufig widerwärtigen Dreck geschrieben habe“ (BVerfG, Beschluß vom 25.02.1993, Az. 1 BvR 151/93, zu finden in NJW 1993, 1462 f.),
  • die Bezeichnung einer Bank als „mafia-vergleichbar“ (OLG Hamm, Urteil vom 07.06.1979, Az. 6 Ss 253/79, zu finden in Der Betrieb 1980, 1215),
  • die Bezeichnung eines Arbeitgebers als „Ausbeuter, der Entlassungsterror betreibe“ und die Herabsetzung der Gewerkschaften als „korrupt“ und als „Unterdrückungsinstrument gegen die Arbeiterklasse“ (BAG, Urteil vom 15.12.1977, Az. 3 AZR 184/76),
  • die Bezeichnung eines Beamten als „gefühllos, dickfellig, dem Menschlichkeit fremd sei“ (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.1982, Az. 2 Ss 95/82- 31/82, zu finden in AfP 1982, 234 f.),
  • die Bezeichnung eines Polizisten als „Wegelagerer“ (AG Gießen, Urteil vom 22.01.1993, Az. 54 Cs 14 Js 22689.2/91),
  • die Bezeichnung eines Urteils als „Terrorurteil“ (BGH, Urteil vom 30.03.1955, Az. 6 StR 246/54, zu finden in MDR 1955, 396),
  • der Vorwurf gegen einen Richters, er habe „willkürlich“ gehandelt (AG Marburg, Urteil vom 24.04.2003, Az. 5/3 Js 4259/02, zu finden in NStZ-RR 2004, 203),
  • die Herabsetzung eines Richters als „zuzuordnen dem Volksgerichtshof“ (OLG Hamburg, Urteil vom 23.01.1990, Az. 2 Ss 103/89 (42)  105/88 Ns, zu finden in NJW 1990, 1246 f.),
  • die Darstellung des christlichen Kreuzes mit einem angenagelten Schwein und dem Untertitel „Schwein am Kreuz“ (OLG Nürnberg, Beschluß vom 23.06.1998, Az. Ws 1603/97, zu finden in NStZ-RR 1999, 238 ff.),
  • die Behauptung, CSU-Politiker schürten wie im Dritten Reich Haß gegen Ausländer (BayObLG, Urteil vom 15.07.1993, Az. 3 St RR 154/92, zu finden in MDR 1994, 80 ff.),
  • die Bezeichnung etablierter Politiker als „Faschisten“ oder „Nazis“ oder „Rechtsradikale“ (BVerfG, Beschluß vom 11.05.1976, Az. 1 BvR 671/70, zu finden in BVerfGE 42, 143 ff.  u.a.),
  • die Schmähkritik eines Dritten, die sich der Äußernde zueigen macht (BVerfG, Beschluß vom 19.04.1990, Az. 1 BvR 40/86, 42/86, zu finden in NJW 1990, 1980 ff. = BVerfGE 82, 42 ff. und BGH, Urteil vom 30.01.1996, Az. VI ZR 386/94, zu finden in NJW 1996, 1131 ff.).

Unklar ist, ob es sich hier um eine Schmähkritik handelt oder nicht, - unterlassen Sie daher sicherheitshalber eine derartige Äußerung:

  • die Bezeichnung einer linksgerichteten Person als „Zecke“ oder „rote Zecke“.

Die Rechtsprechung hat es dagegen nicht als Schmähkritik und daher als erlaubt angesehen:

  • die Bezeichnung eines Zeitungsartikels als „Lüge und Reizliteratur“, weil in dem Artikel teilweise unrichtige Behauptungen aufgestellt worden waren (BVerfG, Beschluß vom 25.01.1961, Az. 1 BvR 9/57, zu finden in BVerfGE 12, 113 und OLG Köln, Urteil vom 31.08.1976, Az. Ss 391/76, zu finden in NJW 1977, 398 f.),
  • die Bezeichnung eines Zeitungsartikels als „Gangsterjournalismus“ (OLG München, Urteil vom 14.02.1977, Az. 21 U 3346/76, zu finden in AfP 1977, 282 ff.),
  • die Behauptung, eine Zeitung gehe „auf Dummenfang“ aus, ihr Maßstab sei die Straße, und sie betreibe „leichtfertige Verfälschung der Fakten“ bzw. „Geschichtsfälschung“ (BGH, Urteil vom 21.06.1966, Az. VI ZR 261/64, zu finden in NJW 1966, 1617 ff. und OLG Köln, Beschluß vom 17.02.1987, Az. 15 W 144/86, zu finden in AfP 1987, 696),
  • die Äußerung, in der BRD werde die Gesamtheit der Bundesbürger kontrolliert und in Computersystemen erfaßt (LG Wiesbaden, Urteil vom 14.02.1979, Az. 5 O 392/78, zu finden in AfP 1979, 327 ff.),
  • die Äußerung, eine Behörde handele „pflichtwidrig“ (VGH Kassel, Beschluß vom 26.04.1989, Az. 6 TG 748/89, zu finden in NJW 1990, 1005 f.),
  • die Bezeichnung eines Beamten als „Nichtstuer“ (OLG Brandenburg, Beschluß vom 13.12.1995, Az. 1 W 17/95, zu finden in NJW 1996, 1002),
  • die Bezeichnung eines Arztes als „Scharlatan“ und „Pfuscher“ (OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.07.2002, Az. 6 U 205/01, zu finden in AfP 2002, 533),
  • die Bezeichnung von Soldaten als „Mörder“ (BVerfG, Beschluß vom 25.08.1994, Az. 1 BvR 1423/92, zu finden in NJW 1994, 2943 f. und BVerfG, Beschluß vom 10.10.1995, Az. 1 BvR 1476/91, 1980/91, 102/92 und 221/92, zu finden in NJW 1995, 3303 ff. und KG, Urteil vom 05.06.2002, Az. 1 Ss 247/98, zu finden in NJW 2003, 685),
  • die Behauptung, einem Verein sei „jedes Mittel recht“ und er betreibe „Geschäftemacherei“ (BGH, Urteil vom 05.02.1980, Az. VI ZR 174/78, zu finden in NJW 1980, 1685 ff.),
  • die Bezeichnung eines Verbandes bzw. einer Partei als „undemokratisch“, sie werfe „Steuergelder zum Fenster hinaus“ und betreibe „Mißwirtschaft“ (BVerfG, Beschluß vom 19.12.1990, Az. 1 BvR 389/80, zu finden in AfP 1991, 387 ff. und BVerfG, Beschluß vom 09.10.1991, Az. 1 BvR 1555/88, zu finden in NJW 1992, 1439 ff. und OLG München, Urteil vom 01.08.1990, Az. 21 U 3758/90, zu finden in  AfP 1992, 258 ff.),
  • die Bezeichnung eines Politikers als „Zwangsdemokraten“ (BVerfG, Beschluß vom 26.06.1990, Az. 1 BvR 1165/89, zu finden NJW 1991, 95 ff.),
  • die Äußerung, ein Politiker habe einen „zwiespältigen Charakter“ (BGH, Urteil vom 20.01.1959, Az. 1 StR 518/58, zu finden in BGHSt 12, 287 ff.),
  • die Bezeichnung eines Politikers als „scheinheilig“ (OLG Köln, Urteil vom 24.06.1986, Az. Ss 84-85/86, zu finden in AfP 1987, 524 ff.),
  • die Bezeichnung eines Politikers als „Versager“ (BVerfG, Beschluß vom 25.04.1985, Az. 2 BvR 617/84, zu finden in NJW 1985, 2521 f. und LG Halle, Urteil vom 06.12.1994, Az. 3 O 279/94, zu finden in AfP 1995, 421 ff.),
  • die Bezeichnung von Abtreibungen als „Kindermord im Mutterschoß – damals: Holocaust – heute Babycaust“ bzw. „neuer Holocaust“ (BGH, Urteil vom 30.05.2000, Az. VI ZR 276/99, zu finden in AfP 2000, 463 f. und OLG Karslruhe, Urteil vom 23.04.2003, Az. 6 U 189/02, zu finden in AfP 2003, 452),
  • die Bezeichnung des Christentums als „Henkerstheologie“ (StA Hamburg, Vfg. vom 22.09.1995, Az. 141 AR 85/95),
  • die Bezeichnung von Homosexuellen als „Neurotiker  und Sklaven pervertierter Sex-Sucht“ (LG Münster, Beschluß vom 28.05.2001, Az. 8 Qs 21/01),
  • die Bezeichnung der Partei „PDS“ als „SED von gestern, Verbrecherbande und Mörderbande“ (KG, Beschluß vom 10.06.1992, Az. 9 W 3119/92, zu finden in Deutsch-deutsche Rechtszeitschrift 1992, 286 f.),
  • die Bezeichnung der Abschiebung von Asylbewerbern als „Skandal, Gestapo-Methode, verfassungswidrig, Beihilfe zum Justizmord und Behördenwillkür“ (BVerfG, Beschluß vom 05.03.1992, Az. 1 BvR 1770/91, zu finden in AfP 1992, 132 f.),
  • die Bezeichnung eines Vereins, der sich gegen Abtreibung wehrt, als „rechts bis rechtsradikal“ (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.08.1990, Az. 13 U 40/90, zu finden in AfP 1992, 263 f.),
  • die allgemeine Äußerung, ein Politiker habe sich an den „nazistischen Untaten beteiligt“ (BVerfG, Beschluß vom 07.12.1976, Az. 1 BvR 460/72, zu finden in NJW 1977, 799 f.),
  • die Bezeichnung eines Journalisten als „Schreibtischtäter“, weil er sich auch schon im Dritten Reich journalistisch betätigt hatte (LG Köln, Urteil vom 15.06.1988, Az. 28 O 671/87, zu finden in AfP 1988, 376 ff.),
  • die Bezeichnung eines anderen als „Nazi“, wenn aus dessen Wohnung Hitler-Reden und Heil-Rufe zu hören waren (BVerfG, Beschluß vom 19.12.1991, Az. 1 BvR 327/91, zu finden in NJW 1992, 2013 f.),
  • die Bezeichnung einer rechtsgerichteten Religionsgemeinschaft  als „Nazi-Sekte“ (OLG Hamburg, Urteil vom 31.10.1991, Az. 3 U 22/91, zu finden in NJW 1992, 2035) und eines ehemaligen Vorsitzendender Gemeinschaft als „Multifunktionärs mit einschlägiger brauner Sektenerfahrung“ (OLG Hamburg, Beschluß vom 03.03.2000, Az. 7 U 69/99, zu finden in AfP 2002, 55),
  • die Bezeichnung der Partei „Die Republikaner“ als „rechtsextremistisch“ (VGH München, Beschluß vom 17.06.1996, Az. 24 CE 96.162, zu finden in NVwZ-RR 1997, 286 ff.),
  • die Bezeichnung der Partei „Die Republikaner“ als „faktische Sympathisanten der Brandanschläge und Krawalle gegen Ausländer und Mitschuldige“ (LG Stuttgart, Urteil vom 15.12.1992, Az. 17 O 600/92 und StA Passau, Vfg. vom 21.01.1993, Az. 2 Js 16494/92),
  • die Bezeichnung der NPD als „nicht wählbarer krimineller Bodensatz in einer offenen Gesellschaft“ (LG Potsdam, Beschluß vom 29.09.1999, Az. 3 O 496/99),
  • die Bezeichnung der Vereinigung „Ein Herz für Deutschland“ als „Rechtsterroristen“ (AG Pforzheim, Urteil vom 08.11.2002, Az. 85 Js 3744/02, zu finden in NStZ-RR 2003, 202),
  • die Behauptung, eine bestimmte Partei spreche in „nationalsozialistischen Bildern“ und von „Menschen als Heuschrecken, die mit Gewalt dezimiert werden müßten“, weil der Gründer der Partei das Buch „Ein Planet wird geplündert“ geschrieben hat (OLG München, Urteil vom 26.04.1996, Az. 21 U 5435/95, zu finden in NJW 1996, 2515 f.),
  • die Forderung, ein rechtsgerichteter Vereins sei ein „rechter Sumpf, er sei auszurotten und  solle aus der Stadt herausgehen“ (StA Bielefeld, Vfg. vom 25.07.1995, Az. 46 Js 572/95),
  • die Herabsetzung einer rechtsgerichteten Person als „braune Ratte“ (LG Paderborn, Beschluß vom 22.11.1993, Az. 1 S 180/93).
  • die Schmähkritik eines Dritten, die sich der Äußernde ersichtlich nicht zueigen macht (BVerfG, Beschluß vom 19.04.1990, Az. 1 BvR 40/86, zu finden in NJW 1990, 1980 ff = BVerfGE 82, 42 ff.).

 

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