Wann begeht man einen Landfriedensbruch (§ 125 StGB)?

Wer sich in einer größeren Menschenmenge, z.B. bei Versammlungen oder Demonstrationen, aufhält, die nicht friedlich, sondern gewalttätig verlaufen, gerät in Gefahr, wegen Landfriedensbruches gemäß § 125 StGB, evtl. sogar in einem schweren Fall gemäß § 125a StGB, bestraft zu werden.

§ 125 StGB wird nur angewendet bei Ausschreitungen, die aus einer Menschenmenge heraus geschehen. Eine Menschenmenge iSd § 125 StGB ist eine nicht unbedingt ungezählte, aber doch so große Personenmehrheit, daß die Zahl nicht sofort überschaubar ist, so daß es auf das Hinzukommen oder Weggehen eines einzelnen Menschen nicht ankommt, wobei der Personenkreis derart räumlich verbunden sein muß, daß bei Außenstehenden die Vorstellung der Menschenmenge als „räumlich verbundenes Ganzes“ hervorgerufen wird.

Die Rechtsprechung hat z.B. entschieden, daß die folgenden Personenmehrheiten Menschenmengen iSd § 125 StGB bilden, – unterlassen Sie daher Ausschreitungen aus derartigen Gruppen heraus:

  • eine Gruppe von 40 Personen, die sich von einem friedlichen Demonstrationszug abspaltet und Gewalt ausübt (BayObLG, Urteil vom 26.11.1968, Az. Rreg 4a St 138/68, zu finden in JZ 1969, 207 f),
  • eine Gruppe von 10 Personen, die in einer Gaststätte Gewalttätigkeiten verüben, wobei die räumliche Enge und die Unübersichtlichkeit des Ortes es für den Außenstehenden unmöglich machen, die Größe der Gruppe und ihre Gefahr zu erfassen (BGH, Urteil vom 31.05.1994, Az. 5 StR 154/94, zu finden in NStZ 1994, 483).

Die Rechtsprechung hat dagegen entschieden, daß die folgenden Personenmehrheiten keine Menschenmengen iSd § 125 StGB bilden, Ausschreitungen derartiger Gruppen fallen nicht unter § 125 StGB:

  • eine Gruppe von Personen, die nur untereinander, aber nicht gegen Außenstehende Gewalt übt (BGH, Urteil vom 29.08.1985, Az. 4 StR 397/85, zu finden in BGHSt 33, 306 ff. = NJW 1986, 1116),
  • eine Gruppe von weniger als 15 Personen, die einen Informationsstand zur politischen Werbung durchführen und sich zur Abwehr politischer Gegner passiv bewaffnen (LG Frankfurt/Main, Urteil vom 09.03.1982, Az. 50 Js 1602/80, zu finden in NStZ 1983, 25 f.),
  • eine Gruppe von 11 Jugendlichen, die sich spontan zusammengefunden haben, den Abend in einem Gasthaus verbringen und auf dem Nachhauseweg in Auseinandersetzungen mit Ausländern geraten (BGH, Beschluß vom 13.05.1993, Az. 4 StR 187/93, zu finden in NStZ 1993, 538 und OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.1990, Az. 5 Ss 11/90-7/90 I, zu finden in NJW 1990, 2699 f.),
  • eine Personengruppe, die sich nach dem Ende von gewalttätigen Ausschreitungen auf der Straße befindet, sich aber nicht zusammengehörig fühlt (AG Berlin-Tiergarten, Urteil vom 03.07.1987, Az. (269) 2 P Js 243/87 Ls, zu finden in NJW 1988, 3218 f.) 97P87 -.

Die Tathandlung des Landfriedensbruches gemäß § 125 StGB besteht in der aus einer Menschenmenge heraus begangenen Beteiligung an

  • Gewalttätigkeiten gegen Menschen,
  • Gewalttätigkeiten gegen Sachen (gewalttätiger Landfriedensbruch),
  • Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit (bedrohender Landfriedensbruch),
  • oder in einem Einwirken auf andere Menschen, um deren Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern (aufwieglerischer Landfriedensbruch).

Die Rechtsprechung hat z.B. entschieden, daß die folgenden Handlungen Tätlichkeiten iSd § 125 StGB darstellen – unterlassen Sie dies daher:

  • die Sperrung einer Straße, z.B. durch Barrikaden (BayOBLG, Urteil vom 26.11.1968, Az. Rreg 4a St 138/68, zu finden in JZ 1969, 207 f.),
  • das Versperren einer Ausfahrt eines Pressehauses durch das Errichten von Barrikaden, um die Auslieferung einer Zeitung zu verhindern (OLG Celle, Urteil vom 21.10.1969, Az. 3 Ss 228/69, zu finden in NJW 1970, 206 f. und OLG Köln, Beschluß vom 07.01.1970, Az. 2 Ws 775/69, zu finden in NJW 1970, 260 f.),
  • das „Schaukeln“ und Hochheben eines Autos während einer Demonstration (BayObLG, Urteil vom 26.11.1968, Az. Rreg 4a St 138/68, zu finden in JZ 1969, 207 f.),
  • das Trommeln mit Fäusten gegen einen Linienbus während einer Demonstration (BayObLG, Urteil vom 26.11.1968, Az. Rreg 4a St 138/68, zu finden in JZ 1969, 207 f.),
  • das Werfen eines Steines in einen Gasthof während einer Demonstration (BayObLG, Urteil vom 03.10.1986, Az. Rreg 1 St 95/86, zu finden in MDR 1987, 162),
  • das Werfen eines Erdklumpens während einer Demonstration auf 5 bis 6 Meter entfernte und nur teilweise mit Schutzkleidung ausgestattete Polizisten, so daß diese zwar nicht verletzt, aber beschmutzt wurden, (BayObLG, Urteil vom 11.08.1989, Az. RReg 2 St 88/89, zu finden NStZ 1990, 37 f.),
  • das Werfen mit Blutbeuteln auf einen Minister und sein Auto während einer Demonstration (OLG Hamburg, Urteil vom 27.05.1982, Az. 1 Ss 27/82, zu finden in NJW 1983, 2273 f.),
  • das Besprühen einer Hauswand mit Parolen während einer Demonstration, wenn dies eine Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB darstellt, d.h. wenn die Parolen entweder zu Schäden an der Wand führen oder wenn die Beseitigung der Parolen einen erheblichen Aufwand an Mühe, Zeit oder Kosten erfordert (OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.12.1992, Az. 2 Ss 267/92-87/92 II, zu finden in NJW 1993, 869 u.a.),
  • das Anfeuern durch Gesten bei Gewalttätigkeiten während einer Demonstration, auch wenn dies wortlos geschieht, (OLG Braunschweig, Urteil vom 12.06.1991, Az. Ss 27/90, zu finden in NStZ 1991, 492),
  • der Aufruf, einen Flughafen durch eine Demonstration „wirksam zu blockieren“, auch wenn der Täter zwar persönlich bei der Blockade nicht anwesend ist, dort aber Gewalttätigkeiten begangen werden und der Täter dies bei seinem Aufruf billigend in Kauf nimmt (BGH, Urteil vom 23.11.1983, Az. 3 StR 256/83 (S), zu finden in BGHSt 32, 165 ff. = NJW 1984, 931 f.).

Die Rechtsprechung hat dagegen entschieden, daß die folgenden Handlungen keine Tätlichkeiten iSd § 125 StGB darstellen, – diese Handlungen fallen daher nicht unter diese Strafvorschrift:

  • ein Sitzstreik, – es liegt dann ggf. nur eine Nötigung gemäß § 240 StGB vor (BGH, Urteil vom 08.08.1969, Az. 2 StR 171/69, zu finden in BGHSt 23, 46 ff.),
  • das gewaltlose Besetzen einer Behörde durch Demonstranten, wodurch der Behördenbetrieb zum Erliegen kommt, die Behördenbediensteten aber in ihrer Bewegungsfreiheit nicht beeinträchtigt werden, – es liegt dann nur ein Hausfriedensbruch gemäß § 123 StGB vor (OLG Stuttgart, Urteil vom 06.08.1969, Az. 2 Ss 86/69, zu finden in NJW 1969, 1776 – f.),
  • das Besprühen einer Hauswand mit Parolen, wenn dies keine Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB darstellt, d.h. wenn die Parolen weder zu Schäden an der Wand führen noch die Beseitigung der Parolen einen erheblichen Aufwand an Mühe, Zeit oder Kosten erfordert (OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.12.1992, Az. 2 Ss 267/92-87/92 II, zu finden in NJW 1993, 869),
  • das Besprühen einer Windschutzscheibe eines LKWs während einer Demonstration mit einer farbigen Flüssigkeit, die schon nach wenigen Minuten abtropft, (OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.04.1979, Az. 2 Ss 40/79, zu finden in NJW 1979, 2415 f.),
  • das bloße Dabeisein eines Vermummten in einer Gruppe von 30 bis 40 ebenfalls Vermummten während einer Demonstration, wenn aus der Gruppe Gewalttätigkeiten verübt werden, aber der Vermummte sich daran nicht beteiligt (BGH, Urteil vom 08.08.1984, Az. 3 StR 320/84, zu finden in NStZ 549 = MDR 1984, 980 f. und AG Freiburg, Beschluß vom 20.01.1982, Az. AK 55/81 Ls 76/81, zu finden in NStZ 1982, 247),
  • der ernsthafte Aufruf zu einer friedlichen Demonstration, auch wenn sich dann der Veranstaltung noch gewalttätige Gruppe anschließen (BGH, Urteil vom 23.11.1983, Az. 3 StR 256/83 (S), zu finden in BGHSt 32, 165 ff. = NJW 1984, 931 ff.).

 

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