Welchen Schriftwechsel darf ein Strafgefangener führen – und welchen nicht (§ 28StrVollzG)?

Der Strafgefangene hat gemäß § 28 des Strafvollzugsgesetzes das Recht, Schreiben, d.h. Briefe, in denen ein Gedankenaustausch stattfindet, abzusenden und zu empfangen.

Die folgenden Einschränkungen des Schriftwechsels sind jedoch möglich:

  1. Gemäß § 28 II des Strafvollzugsgesetzes ist der Anstaltsleiter des Gefängnisses berechtigt, den Schriftwechsel mit bestimmten Personen vollständig zu untersagen, wenn dadurch
    • die Sicherheit oder Ordnung des Gefängnisses gefährdet wird,
    • oder ein schädlicher Einfluß durch Personen, die mit dem Strafgefangenen nicht verwandt sind, auf den Häftling ausgeübt wird,
    • oder wenn die Eingliederung des Strafgefangenen durch Personen, die nicht mit dem Häftling verwandt sind, behindert wird.

    Die Rechtsprechung hat beispielsweise entschieden, daß der Anstaltsleiter berechtigt ist, den Schriftwechsel vollständig zu untersagen, – unterlassen Sie daher einen derartigen Schriftwechsel! –

    • mit dem Herausgeber eines Informationsdienstes, in dem eine Vielzahl entstellender und beleidigender Berichte über die Justiz und den Strafvollzug abgedruckt wurde, (LG Freiburg, Beschluß vom 28.06.1977, Az. VI StVK 14/77, zu finden in Zeitschrift für Strafvollzug Sonderheft 1977, 21),
    • mit einer Person, die Mitglied eines Vereines war, dessen Ziel es war, unter den Gefangenen Unruhe zu stiften und die Gefangenen in politisch begründeten Aktionen für einen Widerstand gegen den Strafvollzug zu gewinnen (LG Lübeck, Beschluß vom 12.01.1978, Az. 5 Vollz 43/77, zu finden in Zeitschrift für Strafvollzug Sonderheft 1978, 28).

    Die Rechtsprechung hat es dagegen als erlaubten Schriftwechsel angesehen, diesen darf der Anstaltsleiter nicht anhalten:

    • mit dem Vorsitzenden einer Gefangenenorganisation, deren Ziel es war, Mißstände in den Gefängnissen zu erkennen und zusammen mit den Behörden abzubauen, die Haftbedingungen zu verbessern und die Grundrechte der Gefangenen wahrzunehmen und zu verfechten (OLG Nürnberg, Beschluß vom 04.08.1986, Az. Ws 341/86, zu finden in NStZ 1986, 576).
  2. Gemäß § 31 des Strafvollzugsgesetzes ist der Anstaltsleiter des Gefängnisses außerdem berechtigt, einzelne Briefe anzuhalten und sie zurückzusenden, wenn die Briefe
    • das Ziel des Vollzuges gefährden
    • oder die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährden,
    • oder strafbar sind,
    • oder eine Ordnungswidrigkeit darstellen,
    • oder grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen enthalten,
    • oder grobe Beleidigungen enthalten,
    • oder die Eingliederung eines anderen Gefangenen gefährden,
    • oder in Geheimschrift geschrieben sind
    • oder unlesbar sind
    • oder unverständlich sind,
    • oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefaßt sind.

Die Rechtsprechung hat beispielsweise entschieden, daß der
– einen Brief, dem zehn unbeschriebene Postkarten beigefügt waren (OLG Nürnberg, Beschluß vom 28.05.1996, Az. Ws 424/96, zu finden in Zeitschrift für Strafvollzug 1997, 372 f.), Anstaltsleiter berechtigt ist, einzelne Briefe mit dem folgenden Inhalt anzuhalten, – unterlassen Sie daher derartige Briefe:

  • ein Brief eines Strafgefangenen mit der Behauptung, Gefängniswärter hätten andere Gefangene ermordet und verletzt, die Wärter seien korrupt und die ärztliche Versorgung der Gefangenen werde bewußt vernachlässigt, obwohl der Strafgefangene dies nicht selbst erlebt hatte (OLG Koblenz, Beschluß vom 26.04.1979, Az. 2 Vollz (Ws) 13/79, zu finden in Zeitschrift für Strafvollzug, Sonderheft 1979, 48 f.),
  • einen Brief, in dem ein Strafgefangener sein Gefängnis als „KZ“ und die Gefängniswärter als „KZ-Schergen“ bezeichnet hatte (OLG Hamm, Beschluß vom 12.12.1980, Az. 1 Vollz (Ws) 133/80, zu finden in NStZ 1981, 239 f.),
  • einen Brief, in dem eine Organisation Strafgefangene dazu aufrief, angebliche Mißstände in der medizinischen Versorgung in Gefängnissen zu schildern, um sie in der Öffentlichkeit anzuprangern (OLG Hamm, Beschluß vom 22.11.1982, Az. 7 Vollz (Ws) 136/82, zu finden in Zeitschrift für Strafvollzug 1983, 187 ff.),
  • einen Brief einer Organisation, die in ihren Zeitungen das Ziel verfolgt, der sozialen Eingliederung der Strafgefangenen und ihrer Hinführung zur Rechtstreue entgegenzuwirken (LG Arnsberg, Beschluß vom 17.11.1978, Az. 7 VollzG 16/78, zu finden in Blätter für Strafvollzugsrecht 1980, 20).
  • die Übersendung einer Vollmacht zugunsten eines Strafgefangenenvereines, dessen Ziel es war, Strafgefangene in allen Vollzugsfragen zu beraten und zu unterstützen – weil dieses Ziel gegen das Rechtsberatungsgesetz verstößt, das die Rechtsberatung allein den Rechtsanwälten vorbehält (OLG Celle, Beschluß vom 09.07.1985, Az. 3 Ws 303/85 (StrVollz), zu finden in Zeitschrift für Strafvollzug 1986, 126 f.),
  • einen Brief eines Strafgefangenen an seine Ehefrau mit einem gänzlich unverständlichen, möglicherweise verschlüsseltem Inhalt (OLG Nürnberg, Beschluß vom 15.09.1986, Az. Ws 787/86, zu finden in Zeitschrift für Strafvollzug 1987, 186 f.),
  • einen Brief mit antisemitischem oder nationalsozialistischem Inhalt (OLG Frankfurt/Main, Beschluß vom 21.02.1985, Az. 3 Ws 13/85, zu finden in Zeitschrift für Strafvollzug 1986, 127 und KG, Beschluß vom 27.01.1997, Az. 5 Ws 571/96 Vollz und LG Freiburg, Beschluß vom 18.01.1994, Az. XIII StVK 43/93 und LG Berlin, Beschluß vom 01.11.1994, Az. 502-62.94),
  • eine Postkarte aus Braunau am Inn mit der Abbildung des Geburtshauses von Adolf Hitler, der Bezeichnung des Gefangenen als „Freund“ und dem Gruß „mit völkischem Gruß“ (AG Leipzig, Beschluß vom 26.07.2002, Az. 3 ER 05 Gs 841/02),
  • einen Brief eines Strafgefangenen mit antisemitischem Inhalt und der Anmerkung und der Forderung, daß er als „rechter” Gefangenen dieselben Beleidigungen gegen seine Richter aussprechen dürfe wie die „linken” Gefangenen (BVerfG, Beschluß vom 23.06.1996, Az. 2 BvR 1203/95),
  • einen Brief, in dem der Gedenkmarsch an Rudolf Hess als „toller Erfolg“ und von „Schikanen des Systems“ die Rede ist und davon, daß von den „Rechten“ keine Gefahr ausgehe, sondern „vom linken Pack“ (BVerfG, Beschluß vom 05.03.2003, Az. 2 BvR 113/03),
  • einen Brief, in dem von „Schikanen gegen die inhaftierten Freunde“ die Rede ist, die „von oben“ angeordnet seien und daß dahinter System stecke (Brandenburgisches OLG, Beschluß vom 15.05.2003, Az. 2 VAs 5/02),
  • einen Brief mit einem Stempel, der zum „Widerstand gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland” aufrief und einen rechtsextremistischen Inhalt hatte (LG Freiburg, Beschluß vom 18.01.1994, Az. XIII StVK 43/93),
  • einen Brief eines Untersuchungshäftlings mit einem Gedicht mit dem Titel „Die deutsche Nacht”, in dem von den „deutschen Feinden” die Rede ist (LG Frankfurt/Oder, Beschluß vom 13.07.1999, Az. 21 KLs 14/98).

Die Rechtsprechung hat dagegen entschieden, daß der Anstaltsleiter nicht berechtigt ist, Briefe mit dem folgenden Inhalt anzuhalten, diese Briefe dürfen also abgesandt oder empfangen werden:

  • einen Brief an einen anderen Mithäftling in derselben Haftanstalt (OLG Dresden, Beschluß vom 07.12.1994, Az. 2 Ws 527/94, zu finden in NStZ 1995, 151),
  • einen Brief, dem Fotokopien beigefügt waren (OLG Nürnberg, Beschluß vorn 22.02.1982, Az. Ws 34/82, zu finden in NStZ 1982, 399 und OLG Koblenz, Beschluß vom 26.09.1983, Az. 2 Vollz (WS) 52/83, zu finden in NStZ 1984, 46 und OLG Frankfurt/Main, Beschluß vom 26.09.1991, Az. 3 Ws 383/91 (StVollz), zu finden in Zeitschrift für Strafvollzug 1993, 118),
  • einen Brief, in dem sich ein Strafgefangener als „PVD“ bezeichnet, was „Politisch Verfolgter der demokratie“ bedeutet (Brandenburgisches OLG, Beschluß vom 26.08.2004, Az. 2 Ws 150/04),

Die Rechtsprechung hat außerdem entschieden, daß der Schriftwechsel von Strafgefangenen mit ihren engsten Verwandten, also z.B. Ehegatten, Eltern oder Geschwistern, in einem viel geringeren Umfang angehalten werden darf, als der Briefwechsel mit anderen, nicht verwandten Personen. Danach ist der Anstaltsleiter nicht berechtigt, Briefe an nahe Verwandte mit dem folgenden Inhalt anzuhalten, diese Briefe an Verwandte dürfen also abgesandt oder empfangen werden:

  • der Brief eines Untersuchungsgefangenen an seine Ehefrau, in der der Gefangene die Gerichtsverhandlung als „schmutziges, jedem Recht hohnsprechendes Schauspiel“ und das Urteil als „Interessen- und Racheurteil“ und „unverschämte Frechheit“ und „Unrecht“ bezeichnet (BVerfG, Beschluß vom 11.04.1973, Az. 2 BvR 701/72, zu finden in BVerfGE 35, 35 ff.),
  • den Brief eines erwachsenen Untersuchungsgefangenen an seine Eltern, in dem er seine Richter als „dumm, beschränkt, geistige Tiefflieger, Mini-Hitler, Schweine und Sklaventreiber“ bezeichnet (BVerfG, Beschluß vom 05.02.1981, Az. 2 BvR 646/80, zu finden in BVerfGE 57, 170 ff.),
  • der Brief eines Untersuchungsgefangenen an seine Ehefrau, in der er u.a. seine Richter als „die größten Strolche, die das Talent haben, Karnevalssitzungen abzuhalten“, bezeichnet (BVerfG, Beschluß vom 16.06.1976, Az. 2 BvR 97/76, zu finden in BVerfGE 42, 234 ff.),
  • den Brief eines Strafgefangenen mit der Behauptung, die Justizbehörden „beugten aus niederen Motiven das Recht” gegen ihn (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 24.06.1996, Az. 1 Ws 480/96, zu finden in StV 1996, 490 f.),
  • der Brief eines Strafgefangenen an einen Freund mit der Bezeichnung des Richters als „Misanthropen” (BVerfG, Beschluß vom 16.05.1995, Az. 2 BvR 1982/92, 365/93, zu finden in NStZ 1996, 55 f),
  • der Brief einer Schwester an ihren in Haft einsitzenden Bruder, in dem die Gefängnisaufseher als „Kretins (Schwachsinnige), die auf Beförderung geil oder ganz einfach Perverse und KZ-Aufseher“ bezeichnet werden (BVerfG, Beschluß vom 26.04.1994, Az. 1 BvR 1689/88, zu finden in NJW 1995, 1015 f. und Beschluß vom 12.09.1994, Az. 2 BvR 291/94, zu finden in StV 1995, 144 f),
  • der Brief einer Schwester an ihren in Haft einsitzenden Bruder, in dem die Gefängnisaufseher als „Pappnasen und Pisser“ bezeichnet wurden (OLG Frankfurt/Main, Beschluß vom 18.03.1994, Az. 3 Ws 642/93, zu finden in StV 1994, 442 f),
  • der Brief eines Untersuchungsgefangenen an seine Mutter, in dem behauptet wird, im Gefängnis würden Häftlinge mißhandelt und ärztlich unzureichend versorgt (OLG München, Beschluß vom 15.12.1994, Az. 3 Ws 227/94, zu finden in StV 1995, 140 f.),
  • ein Brief eines Untersuchungsgefangenen an seine Schwägerin, in dem er das Gefängnis als „rote Hölle“ und die Bediensteten als „hirnrissig“ und als „rotes Drecksvolk“ bezeichnet hatte (Brandenburgisches OLG, Beschluß vom 22.02.1995, Az. 2 Ws 30/95, zu finden in StV 1995, 420 f.).

 

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