Welche Unwahre Tatsachenbehauptungen darf man äußern - und welche nicht (§§ 186, 187 StGB)?
Wenn jemand über einen anderen ehrenrührige und unwahre Tatsachenbehauptungen aufstellen, kann dieser in den folgenden Rechten verletzt sein:
- in seinem Recht auf Ehre gemäß §§ 186 oder 187 StGB iVm § 823 II BGB,
- in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß § 823 I BGB.
Für die Rechtslage und die gegebenen Rechtsmittel ist es im Strafrecht und im Presserecht von entscheidender Bedeutung, ob die Äußerung eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil darstellt, wobei die Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten der Äußerung oft schwierig zu treffen ist.
Tatsachenbehauptungen sind Aussagen über konkrete, nach Raum und Zeit bestimmte, in der Vergangenheit objektiv geschehene oder in der Gegenwart noch andauernde,
- sinnlich wahrnehmbare Ereignisse oder Zustände der Außenwelt (äußere Tatsachen)
- oder Motive, Absichten, Beweggründe oder andere Zustände des menschlichen Seelenlebens (innere Tatsachen)
- oder rechtliche Beziehungen bzw. Rechtstatsachen, also alles, was objektiv überprüfbar ist, z.B. durch eine Beweisaufnahme vor Gericht.
Eine ehrenrührige und Tatsachenbehauptung und damit eine üble Nachrede bzw. Verleumdung iSd §§ 186 und 187 StGB liegt vor, wenn eine andere Person in mißachtender oder nichtachtender Weise angegriffen wird.
Eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung ist dann rechtswidrig und fällt damit nicht mehr unter den Schutz der Meinungsfreiheit des Art. 5 I GG, wenn sie entgegen § 192 StGB unwahr ist. Oft kann bei Äußerungen nicht geklärt werden, ob eine Tatsachenbehauptung wahr oder unwahr ist. In diesem Falle entscheiden die Gerichte nach den Regeln der Beweislast. Dies bedeutet, daß derjenige den Prozeß verliert, der die Beweislast trägt. Diese trägt der Schmähende, also z.B. die Presse, wenn eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung gemäß §§ 186 oder 187 StGB aufgestellt wird und sie nicht bewiesen werden kann. Die Beweislast trägt dagegen der Geschmähte, wenn der Schmähende sich auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB berufen kann, also darauf, daß die Tatsachenbehauptung eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse betrifft und der Schmähende seine journalistische Sorgfalt beachtet, d.h. sorgfältig recherchiert hat.
Die Rechtsprechung hat u.a. die folgenden Tatsachenbehauptungen als unwahr angesehen, unterlassen Sie daher die folgenden Äußerungen:
- die nicht zu beweisende Behauptung, ein anderer begehe Betrug oder Unterschlagung (BGH, Urteil vom 22.06.1982, Az. VI ZR 255/80, zu finden in NJW 1982, 2248 f. und OLG Hamburg, Urteil vom 06.12.1990, Az. 3 U 117/90, zu finden in AfP 1992, 364 f.),
- die nicht zu beweisende Behauptung, ein Politiker sei der Korruption schuldig bzw. habe andere bestochen (BGH, Urteil vom 29.10.1968, Az. VI ZR 180/66, zu finden in GRUR 1969, 147 ff. und BGH, Urteil vom 08.06.1982, Az. VI ZR 139/80, zu finden in NJW 1983, 1194 f. u.a.),
- die nicht zu beweisende Behauptung, ein Politiker sei in einen Sittenskandal verwickelt und Kunde von Prostituierten gewesen (BGH, Urteil vom 15.01.1963, Az. 1 StR 478/62, zu finden in BGHSt 15, 182),
- die Behauptung, ein Richter beuge das Recht (BGH, Urteil vom 22.09.1953, Az. 5 StR 213/53, zu finden in NJW 1953, 1722 f.),
- die nicht zu beweisende Behauptung über eine Partei, sie verbaue jungen Menschen die Zukunft und habe Methoden wie Jugendsekten (OLG Köln, Urteil vom 03.05.1984, Az. 15 U 186/83, zu finden in AfP 1984, 116 ff.),
- die nicht zu beweisende Behauptung, die SPD sei anti-amerikanisch, weil sie zum sowjetischen Völkermord in Afghanistan geschwiegen habe (OLG Köln, Urteil vom 17.12.1985, Az. 15 U 263/85, zu finden in NJW 1987, 1415 ff.),
- die nicht zu beweisende Behauptung, ein Politiker sei ein Stasi-Mitarbeiter gewesen (OLG Hamburg, Urteil vom 18.06.1992, Az. 3 U 6/92, zu finden in NJW-RR 1993, 734 f.),
- die nicht zu beweisende Behauptung, ein bestimmter, ehemaliger SA-Mann habe 1933 das Reichstagsgebäude in Brand gesetzt (BGH, Urteil vom 11.1.1966, Az. VI ZR 221/63, zu finden in NJW 1966, 647 ff.),
- die nicht zu beweisende Behauptung, eine Firma habe im Dritten Reich Schrittmacherdienste zur Sterilisationsforschung und zur Massensterilisation geleistet (BGH, Urteil vom 08.07.1980, Az. VI ZR 159/78, zu finden in NJW 1980, 2801 ff.),
- das Leugnen oder Bezweifeln, daß im Dritten Reich die Juden verfolgt und vernichtet worden sind (BVerfG, Beschluß vom 13.04.1994, Az. 1 BvR 23/94, zu finden in MDR 1994, 738 ff.),
- die Wiedergabe unrichtiger, verfälschender oder entstellender Zitate (BVerfG, Beschluß vom 03.06.1980, Az. 1 BvR 797/78, zu finden in NJW 1980, 2072 ff. und BVerfG, Beschluß vom 04.10.1988, Az. 1 BvR 556/85, zu finden in NJW 1989, 1789 f. und OLG München, Urteil vom 08.12.1980, Az. 21 U 2015/80, zu finden in AfP 1981, 297 ff. und OLG Saarbrücken, Urteil vom 15.01.1985, Az. 2 U 58/83, zu finden in AfP 1985, 134 ff.),
- die Wiedergabe unwahrer Behauptungen eines Dritten ohne ausreichende eigene und ernsthafte Distanzierung hiervon (BGH, Urteil vom 30.01.1996, Az. VI ZR 386/94, zu finden in NJW 1996, 1131 ff.).
Die Rechtsprechung hat dagegen die folgenden Tatsachenbehauptungen als wahr und daher als erlaubt angesehen:
- die Behauptung, ein bestimmter Firmeninhaber habe „Abgeordnete bezahlt“, wobei unklar war, ob damit Bestechung oder Parteienfinanzierung gemeint war (BGH, Urteil vom 08.06.1982, Az. VI ZR 139/80, zu finden in NJW 1983, 1194 f.),
- die Behauptung anläßlich einer Hausdurchsuchung, „Wir leben in einem freien Land und nicht in der DDR“, und „Grundrechte seien eher durch fragwürdige Polizeiaktionen als durch Terroristen gefährdet“ (OLG Köln, Urteil vom 18.11.1980, Az. Ss 824/80, zu finden in NStZ 1981, 183 f.),
- die bewiesene Behauptung, ein anderer sei „Stasi-Helfer“ gewesen (OLG Hamburg, Urteil vom 10.10.1991, Az. 3 U 61/91, zu finden in Deutsch-deutsche Rechtszeitschrift 1992, 223),
- die allgemein gehaltene Behauptung, ein Politiker habe sich an bestimmten nazistischen Untaten beteiligt (BVerfG, Beschluß vom 07.12.1976, Az. 1 BvR 460/72, zu finden in NJW 1977, 799 f. und BGH, Urteil vom 17.03.1970, Az. VI ZR 151/68, zu finden in NJW 1970, 1077 ff.),
- die Behauptung, eine bestimmte Person habe sich als Täter an Untaten in einem bestimmten nationalsozialistischen Konzentrationslager beteiligt, wenn wegen des Zeitablaufes nicht mehr geklärt werden kann, ob diese Behauptung wahr ist oder nicht (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 06.09.1979, Az. 16 U 75/79, zu finden in NJW 1980, 597 ff. und OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.03.1987, Az. 14 U 197/85, zu finden in AfP 1987, 614 ff.),
- die Wiedergabe unwahrer Behauptungen eines Dritten mit ausreichender eigener und ernsthafter Distanzierung (BGH, Urteil vom 30.01.1996, Az. VI 386/94, zu finden in NJW 1996, 1131 ff. und OLG München, Urteil vom 26.01.1976, Az. 21 U 5657/75, zu finden in AfP 1976, 130 ff. und OLG Köln, Urteil vom 09.06.1976, Az. 15 U 228/75, zu finden in AfP 1976, 185 f.).